5 Oktober 2016

Wenn alles gleichzeitig kommt: Nationale Alarmzentrale übt Einsatzverfahren mit Teilstäben

Was wir aus dem Büro oder von zuhause bestens kennen, gilt im Notfallmanagement umso mehr: Meist kommt alles gleichzeitig, und dringend ist es sowieso immer. Am schwierigsten ist diese Situation dann, wenn die verschiedenen Aufgaben, die gleichzeitig erledigt werden sollen, nichts miteinander zu tun haben. Im Notfallmanagement sprechen wir von komplexen Ereignissen: Als Folge eines Einzelereignisses treten an verschiedenen Orten Folgeereignisse auf, die zeitlich und inhaltlich völlig unterschiedlich sein können. Die vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS als grösste Risiken für die Schweiz erkannten Szenarien wie Strommangellage, Pandemie oder Erdbeben sind typisch für komplexe Ereignisse.

Die Nationale Alarmzentrale NAZ muss in einer solchen Situation nicht nur die Übersicht behalten, von ihr werden auch Informationen darüber verlangt, wie sich die verschiedenen Folgeereignisse entwickeln könnten. In einer Übung im September trainierte die NAZ eine Methode, um dieser Herausforderung besser begegnen zu können.

Auf dem Bild sind zwei Männer und zwei Frauen zu sehen. Sie diskutieren etwas. Die beiden Männer tragen Militäruniform. Alle vier sind mit leuchtenden Gilets ausgestattet. Sie befinden sich in einem Raum mit Karten an den Wänden und Computer-Arbeitsstationen.
Mitarbeitende der NAZ und der militärischen Unterstützungsformation Stab BR NAZ aus den Bereichen Operationen, Lage und Information sprechen sich im Einsatz ab.

Spezialisierte Teams befassen sich mit Einzelproblemen

In der Fachsprache heisst der Ansatz „Einsetzung von Teilstäben“: Der Einsatzleiter setzt eine Gruppe von Spezialisten darauf an, ein Teilproblem genauer zu untersuchen und Handlungsvarianten aufzuzeigen. Diese Gruppen werden jeweils von einem Mitglied des Bereichs „Operationen“ moderiert und gehen nach einer Methode vor, welche vom Bereich Ausbildung des BABS gelehrt wird. Dabei wird das Problem systematisch in Teilprobleme zerlegt, es werden fehlende Informationen erkannt und organisiert, die Zeitverhältnisse dargestellt und schliesslich Entwicklungs- und Handlungsvarianten aufgezeigt. Am Lagerapport fliesst die Arbeit des Teilstabes wieder ins Gesamtbild ein – so wird sichergestellt, dass die Tätigkeiten aller Mitarbeitenden der NAZ immer aufeinander abgestimmt bleiben.

„Superkatastrophe“ als Übungsgerät

Um den neuen Ansatz unter schwierigen Bedingungen auszutesten, erarbeitete eine Gruppe des Stabes BR NAZ, der militärischen Unterstützungsformation der NAZ, eine eintägige Übung mit dem Szenario einer schweren Hochwassersituation in der Schweiz. Innert weniger Stunden spielte die Übungsleitung diverse Folgeereignisse ein, welche die NAZ in Form von fingierten Meldungen aus den Kantonen, Medienberichten, Meldungen von Netzbetreibern, etc. erreichten. Der Einsatzleiter bildete mehrere Teilstäbe, um in dieser unübersichtlichen Situation alle Folgeereignisse im Griff zu behalten: Ein Teilstab Chemie, besetzt mit Chemie- und Einsatzfachleuten, musste sich mit der Havarie eines Tankschiffs und der Überflutung von Chemieanlagen entlang des Rheins beschäftigen. Neben der Analyse der Stoffe, die dabei ins Wasser und in die Luft gelangten, und der möglichen Folgen insbesondere für die Trinkwasserversorgung war auch das internationale Meldewesen eine wichtige Aufgabe für diesen Teilstab. Besonders die französischen und deutschen Behörden brauchen frühzeitig Informationen über Giftstoffe im Rhein, um ihre eigene Bevölkerung zu schützen. Die NAZ wiederum war angewiesen auf Detailinformationen zu einem überfluteten Chemiepark auf der deutschen Rheinseite.

Auf dem Bild ist ein havariertes Tankschiff auf einem Fluss abgebildet.
Ein gekentertes Tankschiff im Rhein war eines der Folgeereignisse in der Übung. Vorbild war der Unfall des Tankschiffs Waldhof in Deutschland 2011 (Bild: Wikipedia)

Teilstäbe für Bergsturz und Flutwelle

Ein Bergsturz mit Flutwelle am Thunersee und eine Überschwemmung in Zürich wegen grosser Wassermassen aus dem Sihlsee waren zwei weitere Themen, welche von Teilstäben bearbeitet wurden. Das erste Problem erforderte vor allem die Aktivierung des Ressourcenmanagements des Bundes (ResMaB), da sich rasch ein Mangel an Spitalplätzen, Bergungsmannschaften und an Räumgerät abzeichnete. Zudem musste mit weiteren instabilen Hängen gerechnet werden, welche die Zufahrt zum und die Arbeit auf dem Schadenplatz gefährdeten. Der Teilstab erarbeitete verschiedene Varianten, um den Zugang zum betroffenen Gebiet sicherzustellen. Der Teilstab „Sihl“ arbeitete eng mit den (in der Übung simulierten) Kantonen Zürich und Schwyz sowie mit der SBB zusammen, um vor dem Eintreffen der Wassermassen in Zürich zu bestimmen, welche Gebiete und Infrastrukturen davon betroffen sein würden.

Besser gerüstet für komplexe Ereignisse

Die Teilstäbe haben in dieser Übung die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt. Die NAZ konnte gleichzeitig verschiedenste Fragestellungen bearbeiten und trotzdem die Gesamtlage im Fokus behalten. Alle Teilstäbe lieferten ihre Analysen und Handlungsoptionen termingerecht, so dass die Massnahmen untereinander abgestimmt angeordnet werden konnten. Die in der Übung simulierten Stellen Bundesstab ABCN und Bundesrat erhielten regelmässig aktualisierte Lageberichte, in welchen die Überlegungen und Tätigkeiten der Teilstäbe abgebildet werden konnten. Die NAZ wird den Einsatz von Teilstäben weiter trainieren und festigen, um künftig für die grosse Herausforderung komplexer Ereignisse noch besser gerüstet zu sein.

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