©Markus Bibelriether
24 Juni 2016

Gefahren kennen: Erdbeben

Welche Gefährdungen gibt es für die Schweizer Bevölkerung? Wie könnte ein grosses Schadenereignis in der Schweiz konkret ablaufen? Welche Auswirkungen hätte dies auf Mensch, Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft in der Schweiz? Und was können Sie selber tun, um sich besser zu schützen?

Mit der nationalen Gefährdungsanalyse von „Katastrophen und Notlagen Schweiz“ schafft das Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS Grundlagen für die vorsorgliche Planung und Ereignisvorbereitung. In diesem Rahmen wird für jede untersuchte Gefährdung ein Referenzszenario definiert. Damit gibt das BABS wissenschaftlich fundierte und breit abgestützte Antworten auf die einleitend gestellten Fragen. Im Alertswiss-Blog informieren wir Sie regelmässig über die Ergebnisse dieser Gefährdungsanalyse.

Wir erinnern uns: Vor einem Jahr blickte die Welt mit Schrecken nach Nepal. Mehrere schwere Erdbeben erschütterten die Hauptstadt Kathmandu und die Himalaya-Region.

Kathmandu wurde durch die Beben um 1.5 Meter nach Süden verschoben und um einen Meter angehoben – dies verdeutlicht eindrücklich, welche gewaltige Energie durch Erdbeben dieser Stärke freigesetzt wird. Sie verursachen denn auch gewaltige Schäden. In Nepal starben fast 9‘000 Menschen, mehr als 22‘000 wurden verletzt. Ausserdem wurden viele bedeutende Kulturgüter zerstört oder beschädigt.

Worum geht es?

Erdbeben entstehen durch einen plötzlichen Spannungsabbau entlang von Brüchen in der Erdkruste. In der Schweiz gibt es etwa 10 bis 15 Erdbeben pro Jahr, die stark genug sind, um von Menschen wahrgenommen zu werden. Von starken Erdbeben hören wir oft nur aus der Ferne, aber auch in der Schweiz muss man mit schweren Erdbeben rechnen. Erdbeben sind unberechenbar: Ort und Stärke lassen sich nicht vorhersagen.

Ereignisbeispiele

Referenzszenario: Möglicher Ereignisablauf bei einem schweren Erdbeben

Das Referenzszenario Erdbeben geht von einem tektonischen Erdbeben mit einer Magnitude von 6.7 aus. Bezüglich Stärke liegt es also im Bereich des historischen Basler Bebens von 1356 und der Erdbeben von Kobe 1995 und L’Aquila 2009. Das Erdbeben betrifft ein stark besiedeltes Gebiet im Mittelland. Im Hauptschadenraum, das heisst im Umkreis von rund 25 km um das Erdbebenzentrum, treten zerstörende bis schwere Schäden auf. In diesem Gebiet halten sich rund 150‘000 Personen auf. Der gesamte Schadenraum umfasst einen Radius von rund 80 km; mittlere bis leichte Schäden treten also in grossen Teilen der Schweiz auf.

Unmittelbar nach dem Erdbeben ist die Situation im Hauptschadenraum durch Chaos, fehlende Übersicht und Selbstrettungen geprägt. Starke Nachbeben sowie Regen und tiefe Temperaturen erschweren die Rettungs- und Nothilfemassnahmen. Es dauert etwa vier Tage, bis die Lage für die Führungs- und Einsatzorganisationen im Bevölkerungsschutz überschaubar wird und der grösste Teil der betroffenen Personen zumindest mit Nothilfe versorgt werden kann. Mit Unterstützung der Behörden und der Einsatzorganisationen im Bevölkerungsschutz arbeiten die technischen Betriebe bereits kurz nach dem Erdbeben intensiv an den Reparaturen von Verkehrsverbindungen, Strom- und Telekommunikationsinfrastrukturen, der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung. Es dauert etwa sechs Monate, bis die Normalität langsam wiederhergestellt ist. Erst nach mehreren Jahren sind die zerstörten Bauten und Infrastrukturen wieder vollständig aufgebaut.

Referenzszenario: Mögliche Auswirkungen

Bei einem Erdbeben dieser Stärke in einem dicht besiedelten Gebiet entstehen im Hauptschadenraum innerhalb von wenigen Minuten enorme Schäden an Gebäuden und Infrastrukturen. Insbesondere die einstürzenden Gebäude fordern zudem sehr viele Personenschäden: Es muss mit rund 3‘500 Todesopfern sowie mit 6‘000 schwer-, 14‘000 mittelschwer- und 30‘000 leichtverletzten Personen gerechnet werden. In diesen Zahlen eingeschlossen sind Personen mit psychischen Traumata, die sich nach der akuten Ereignisphase einstellen und langfristig wirken.

In den ersten Tagen und Wochen sind etwa 500‘000 Personen unterstützungsbedürftig, insbesondere da sie aufgrund der noch nicht klar beurteilten Schäden und aus Angst vor Nachbeben nicht in ihre Wohnungen zurückkehren können. Längerfristig benötigen 150‘000 Personen eine provisorische Unterkunft oder müssen zu Hause mit Nahrung und Trinkwasser versorgt werden. Einschliesslich der Kosten für Einsatzkräfte, Notunterkünfte und Versorgung der Unterstützungsbedürftigen summieren sich die Kosten durch die direkten Schäden an Gebäuden, Infrastruktur und sonstigen Vermögenswerten auf rund 100 Mrd. Franken.

Beschädigungen an Chemieanlagen und Abwassersystemen verursachen erhebliche Umweltschäden. Indirekte Folgen wie fehlende personelle und finanzielle Ressourcen, ein Vertrauensverlust für die Schweizer Wirtschaft und eine deutliche Abschwächung des Schweizer Frankens führen zu einer länger dauernden Reduktion der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die betreffenden Kosten belaufen sich auf 20 bis 30 Mrd. Franken.

Risikobeurteilung und Vergleich mit anderen Risiken

Die Eintrittswahrscheinlichkeit eines schweren Erdbebens in der Schweiz ist wissenschaftlich relativ zuverlässig zu bestimmen. Ein Erdbeben in der geschilderten Stärke ereignet sich in der Schweiz etwa einmal in 1000 Jahren. Mit einem Wert von deutlich über 100 Mrd. Franken ist das monetarisierte Schadensausmass sehr hoch. Von den im Rahmen von Katastrophen und Notlagen Schweiz untersuchten Gefährdungen ist das Schadensausmass nur noch beim Szenario Strommangellage vergleichbar gross. Die Gefährdung durch ein schweres Erdbeben zählt damit zu den grössten Risiken, mit welchen die Schweiz im Bereich Katastrophen und Notlagen konfrontiert ist.

Vorsorge und Verhaltensanweisungen: Was können Sie tun?

Erdbeben sind unberechenbar: Ort und Stärke lassen sich nicht vorhersagen, sie treten praktisch ohne Vorwarnzeit auf. Daher ist es von grosser Bedeutung, dass Sie wissen, wie Sie sich im Ereignisfall verhalten sollten:

  • Gehen Sie in Deckung (z.B. unter einem stabilem Tisch) und schützen Sie den Kopf.

Ebenso wichtig ist, dass Sie unmittelbar nach einem Erdbeben richtig handeln:

  • Falls ein Gebäude grössere Schäden aufweist: Verlassen Sie das Gebäude.
  • Prüfen Sie Gas-, Wasser- und Stromleitungen auf Schäden und schalten Sie diese bei Verdacht ab.
  • Seien Sie auf Nachbeben gefasst.

Nach einem schweren Erdbeben mit einem grossen Schadensgebiet sind Sie möglicherweise für einige Stunden bis Tage auf sich alleine und Ihre Nachbarn gestellt. Erdbeben können zu Versorgungsengpässen in verschiedenen Bereichen führen; lebensnotwendige Güter wie Wasser, Nahrungsmittel, Medikamente und Strom sind möglicherweise für mehrere Tage nicht verfügbar.

Bereit für alle Fälle

Beachten Sie die Empfehlungen zu Notvorrat und Notfallapotheke sowie zu den Vorbereitungen betreffend Notunterkunft und Notgepäck im Alertswiss Notfallplan.

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Weitere Informationen

  • Die vollständige Ausführung der Informationen, die in diesem Blog Artikel angesprochen werden, finden Sie im Gefährdungsdossier Erdbeben
  • Informationen zu weiteren Gefahren finden Sie im Bereich Gefahren kennen.
  • In der Schweiz überwacht der Schweizerische Erdbebendienst SED die Erdbebenaktivität in der Schweiz sowie im grenznahen Ausland und beurteilt die Erdbebengefährdung in der Schweiz.

 

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