Murgänge – erhöhte Gefahr bei Dauerregen
Während die intensiven Niederschläge diesen Sommer im Flachland vor allem das Bewusstsein für die Gefahr von Hochwassern ansteigen lassen, tritt dadurch in den Alpen und Voralpen noch eine ganz andere Gefahr in den Vordergrund, nämlich diejenige von Murgängen.
Ein Murgang, auch unter der Bezeichnung Rüfen oder Muren bekannt, ist weder ein Sturzbach noch ein Erdrutsch oder Felssturz, sondern im Grunde genommen etwas dazwischen. Es handelt sich dabei um ein Gemisch von Wasser und einem hohen Anteil an Feststoffen, zumeist lockeres Gesteinsmaterial, welches mit einer Geschwindigkeit von 40-60 km/h durch steile Gerinne mit einem Gefälle von mindestens 20 Prozent niedergeht. Durch den hohen Feststoffgehalt verfügt der Murgang auch über eine hohe Dichte, weshalb das Verwüstungspotential eines Murgangs gegenüber demjenigen eines Hochwassers höher ausfällt. Die grössten Murgänge in den Alpen befördern bis zu einer halben Million Kubikmeter Material talwärts. Wie gross ein Murgang ausfällt, hängt stark davon ab, wieviel wenig verfestigtes Material im Gerinne liegt. Das Material wird dann häufig in mehreren Schüben talwärts befördert, wobei die grössten Elemente, Blöcke von bis zu mehreren Kubikmetern, meistens zuvorderst im Geschiebe eine Front bilden.
Damit ein Murgang überhaupt erst ausgelöst werden kann, muss es erst über einen längeren Zeitraum intensiv regnen. Aus diesem Grund treten Murgänge hauptsächlich im Sommerhalbjahr auf, in dem es durchschnittlich mehr regnet. Es werden zudem drei Auslösemechanismen unterschieden: Erstens das Weiterfliessen einer bereits bestehenden Hangmure als Murgang im Gerinne, zweitens die Verflüssigung einer Gerinnsohle aufgrund von Wasserübersättigung sowie – drittens – der Durchbruch einer Aufstauung im Gerinne, welche beispielsweise durch Schwemmholz oder grobe Gesteinsblöcke verursacht wird.
Klicken Sie auf das Video:
Überwachung und Erforschung von Murgängen
Murgänge können sehr schnell entstehen und erfordern deshalb den Einsatz eines Alarmsystems mit automatischen Aktionen, wie beispielweise einer Strassensperrung oder eines Alarms zur Evakuierung etwa einer Baustelle. Es gibt unterschiedliche Methoden zur Detektion eines Murgangs, wobei die meisten aus Installationen im oder über einem Gerinne bestehen. Weil ein Murgang oft eine turbulente, nicht klar definierte Oberfläche aufweist, ist dessen Messung nur schwer möglich. Zur Fernmessung eignet sich bei guter Einsicht in die Rinne der Murgangradar, welcher grosse Gebiete mit einem Sensor abzudecken vermag. Weiter kann eine Laserüberwachung das Profil eines Grabens scannen und so registrieren, wenn sich dieses rapide zu verändern beginnt. In eine ähnliche Richtung geht der Pegelradar, welcher aus der Ferne punktuell die Pegel von Bächen überwacht, wodurch die Wahrscheinlichkeit eines Murgangs ebenfalls durch das Registrieren eines raschen Pegelanstiegs erfasst werden kann. Nicht auf visuelle Faktoren ausgelegt ist das Geophon. Dieses reagiert mit seiner Sensorik auf Erschütterungen im Graben. Eine relativ einfache Lösung bietet hingegen die Reissleine, welche an zu erwartenden Bruchstellen angebracht wird und reisst, wodurch die Alarmierung aufgelöst wird, sobald sich an der betreffenden Stelle ein Murgang ereignet. Im Handbuch Überwachungssysteme für gravitative Naturgefahren erfahren Sie mehr über diese und andere Überwachungssysteme.
Um die von Murgängen ausgehenden Gefahren und deren Schadenspotenzial besser einordnen zu können, werden mithilfe von Modellrechnungen und Simulationen Murgänge in ihrer Funktionsweise erforscht und möglichst berechenbar gemacht. Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL unterhält zu diesem Zweck zahlreiche Beobachtungseinrichtungen und unternimmt Experimente, um Murgänge besser zu verstehen. Ein gutes Beispiel für die Tätigkeit der WSL im Zusammenhang mit der Erforschung von Murgängen bietet das Beispiel Illgraben im Kanton Wallis.
Vorkehrungen werden getroffen
Murgänge als Naturgefahr erfordern auch vonseiten des Bevölkerungsschutzes eine entsprechende Einsatzbereitschaft, weshalb auf regionaler und lokaler Ebene Einsatzpläne unter Einbezug aller involvierter Partner erstellt werden. Die entsprechenden Leitfäden dazu wurden auf Stufe Bund vom Bundesamt für Umwelt BAFU und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS gemeinsam erarbeitet. Die Einsatzplanung gravitative Naturgefahren soll dem Bedürfnis gerecht werden, vorhandenes Wissen systematisch zu gesamtschweizerischen Standards zu bündeln und für die in den Kantonen zuständigen Stellen des Bevölkerungsschutzes aufzubereiten.
Wie schwierig ist es, ein Dorf vor #Murgängen zu schützen? Dank dem MurGame2.0 können Naturgefahren-Ereignisse simuliert werden. Jetzt ausprobieren und online spielen auf https://t.co/mwVHUl6EWG. @SLFDavos @Koboldgames @diemobiliar @geo7_CH #naturgefahren pic.twitter.com/Zu9viNMAIJ
— BAFU – OFEV – UFAM – FOEN (@bafuCH) August 10, 2021
Wenn Sie Ihr Wissen über Murgänge testen und erweitern wollen, dann spielen Sie das Murgame, welches das BAFU mit Partnerorganisationen entwickelt hat! Weitere Informationen zum Murgame finden Sie hier.