30 Jahre Tschernobyl: Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit
Als vor 30 Jahren ein Reaktor im sowjetischen Kernkraftwerk Tschernobyl explodierte, erfuhr die westliche Welt erst Tage später davon, und zwar nur, weil in Skandinavien erhöhte Radioaktivitätswerte gemessen wurden. Das Ereignis hatte Auswirkungen in weiten Teilen Europas, auch in der Schweiz wurden Empfehlungen im Lebensmittelbereich herausgegeben. Der Schock von Tschernobyl war auch die Geburtsstunde einer umfassenden internationalen Zusammenarbeit im atomaren Bereich, die auch vom BABS mitgeprägt wurde.
Unmittelbare Folge der Katastrophe in Tschernobyl war eine internationale Konvention, welche die unterzeichnenden Staaten verpflichtet, die Internationale Atomenergie-Organisation IAEA und ihre Mitgliedstaaten bei Ereignissen im Bereich Radioaktivität mit grenzüberschreitenden Folgen zu informieren. Die Schweiz hat diese Konvention 1988 ratifiziert. Die designierte Stelle, welche solche Meldungen für die Schweiz absendet und empfängt, ist die Nationale Alarmzentrale NAZ im Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS.
Diese Konvention war ein wichtiger Fortschritt in der internationalen Zusammenarbeit im Radioaktivitäts-Bereich. In der Folge gab es zahlreiche weitere internationale Absprachen und Dokumente. So ist es heute üblich, auch bei kleineren Ereignissen rasch und kontinuierlich über internationale Kanäle zu orientieren. Inzwischen erhält die NAZ jeden Monat mehrere Ereignismeldungen über die Kanäle der IAEA. Nach den Bombenanschlägen vom März 2016 in Brüssel informierten die belgischen Behörden proaktiv über den Status der belgischen Kernkraftwerke und leisteten damit einen aktiven Beitrag gegen die kursierenden Gerüchte, dass diese betroffen sein könnten.
Die Schweiz hat klar ein Interesse an einem aktiven, europaweiten Informationsaustausch wie auch an einem umfassenden Notfallschutz bei Ereignissen mit Radioaktivität. Das BABS hat darum international eine aktive Rolle gespielt: Als Teil des BABS übernahm die NAZ die Leitung einer internationalen Arbeitsgruppe im Bereich der internationalen Kommunikation bei Notfallsituationen. Greifbare Resultate dieser Arbeiten sind unter anderem modernste technische Hilfsmittel für einen weltweiten effektiven und effizienten Informationsaustausch, ein professionell ausgebautes und ausgebildetes Krisenzentrum (Incident and Emergency Centre IEC) in Wien zur Sicherstellung der Dienstleistungen der IAEA in Notfallsituationen und nicht zuletzt ein umfassender Informationsaustausch auch bei kleineren Vorkommnissen. Das IEC hat zudem als internationaler Partner an der Gesamtnotfallübung 2015 teilgenommen.
Die internationale Zusammenarbeit dehnt sich laufend weiter aus. Bereiche, in denen vertiefte internationale Zusammenarbeit bereits umgesetzt oder angedacht ist, sind beispielsweise:
- Austausch über genaue Zuständigkeiten und Abläufe in den einzelnen Mitgliedstaaten, um im Ereignisfall die Aktivitäten und Entscheide über Schutzmassnahmen in einem Mitgliedsstaat besser zu verstehen
- Erstellung und Austausch von nationalen Notfallplänen zur Qualitätsverbesserung: Das BABS hat ein Projekt für einen nationalen nuklearen und radiologischen Notfallplan soeben in Angriff genommen.
- Wesentliche Beteiligung des BABS an der Erarbeitung eines IAEA Safety Guides zur Beendigung einer Notfallsituation: Ein Thema, das in den meisten Ländern höchst aktuell ist
- Harmonisierung von Terminologien, was den internationalen Austausch erleichtert und Missverständnisse vermindert
- Rascherer, regelmässigerer und umfassenderer Informationsaustausch über Ereignisse zur Sicherstellung funktionierender Kanäle und zur Vertrauensbildung
- Harmonisierung von Schutzmassnahmen bei grenzüberschreitenden Auswirkungen eines Ereignisses
- Neue Standards zur Information der Bevölkerung im Ereignisfall
- Entsendung von Hilfe bei Ereignissen in anderen Staaten
- Austausch von Radioaktivitäts-Messdaten: Die NAZ liefert sämtliche Messdaten aus der Schweiz an eine internationale Plattform zum Austausch radiologischer Daten (EURDEP)
Tschernobyl hat gezeigt, dass Ereignisse mit Radioaktivität rasch grenzüberschreitende Wirkung haben können und internationale Zusammenarbeit zwingend ist. Inzwischen wurde das Netzwerk internationaler Zusammenarbeit dichter und umfassender mit dem Ziel, die ganze Notfallvorsorge und Ereignisbewältigung zu verbessern.