Das «Solare Maximum» – Geomagnetische Stürme auch in der Schweiz?
Mitte Oktober hat die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA bekannt gegeben, dass nach ihrer Einschätzung das «solare Maximum» dieses Sonnenzyklus’ erreicht sei – eine bis ein Jahr lang andauernde, etwa alle elf Jahre wiederkehrende Phase besonders hoher Aktivität auf der Sonnenoberfläche.
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Auf der Sonnenoberfläche bilden sich in dieser Zeit besonders oft dunkle Sonnenflecken. Durch massive Explosionen und Eruptionen wird an diesen Stellen auf der Oberfläche der Sonne Material in Form von Plasma mit hoher Geschwindigkeit ausgestossen. Diese sogenannten koronalen Massenauswürfe sind begleitet von intensiver Strahlung und einem Ausstoss hochenergetischer Partikel. Trifft dieses Gemisch aus Strahlung und Teilchen auf die Erde, wird das Magnetfeld der Erde gestört. Man spricht dann von einem geomagnetischen Sturm oder Sonnensturm.
Grundsätzlich lassen sich drei Phänomene unterscheiden, die nicht in jedem Fall gemeinsam auftreten:
- Ein Röntgenblitz (Flare) erreicht die Erde in weniger als zehn Minuten und kann einen Sonnensturm ankünden. Die Strahlung ist innerhalb der Erdatmosphäre nicht gesundheitsschädlich, kann aber die Radiokommunikation auf der von der Sonne beschienenen Seite der Erde stören.
- Nach ungefähr einer Stunde wird die Erde von hochenergetischen Partikeln, zumeist Protonen, getroffen. Auf ihrem Weg auf die Erde können sie Satelliten in ihrer Funktionstüchtigkeit einschränken oder gar beschädigen.
- Der koronale Massenauswurf selbst (eine Plasmawolke aus geladenen Teilchen) erreicht die Erde nach ca. 1 bis 2 Tagen. Beim Eintreffen auf das Erdmagnetfeld schwächt sich dieses ab. Dabei ist entscheidend, ob die Magnetfelder des Plasmas und der Erde gleich oder gegensätzlich ausgerichtet sind. Bei einer antiparallelen Orientierung sind die Auswirkungen für die Erde viel stärker als bei parallel orientiert sind. Die magnetische Orientierung der Plasmawolke kann aber erst gemessen werden, wenn diese zwischen Erde und Sonne positionierte Satelliten passiert, ca. 20 min vor dem Eintreffen auf der Erde.
Das Auftreffen des koronalen Massenauswurfs auf das Magnetfeld der Erde führt zum geomagnetischen Sturm. Dabei werden Polarlichter bis weit in den Süden sichtbar. Auch die im Sommer 2024 mehrfach in der Schweiz beobachtbaren Polarlichter waren dem angekündigten solaren Maximum geschuldet.
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Ausfall der Stromversorgung und von Kommunikationsnetzen
Die möglichen Auswirkungen auf Satelliten, Kommunikationsnetze und Stromversorgung machen Sonnenstürme auch zu einem für den Bevölkerungsschutz relevanten Phänomen. Starke Sonnenstürme induzieren in langgestreckten elektrischen Leitern – zum Beispiel in Überlandleitungen – elektrische Ausgleichsströme von grosser Stärke. Diese können zum Ausfall der angekoppelten Transformatorstationen und somit zu Stromausfällen führen. Ebenfalls kann es zu Störungen des Funkverkehrs kommen.
Da das Magnetfeld der Erde «gestaucht» wird und der Teilchenstrom die Polregionen am intensivsten trifft, sind besonders Gebiete nahe der Pole gefährdet. Im November 2003 verursachten zwei sich überlappende Sonnenstürme einen Stromausfall im schwedischen Malmö. In Nordkanada fielen technische Anlagen für die Luftüberwachung aus, so dass Luftkorridore geschlossen werden mussten. Auch Satelliten- und Navigationssysteme setzten zeitweise aus.
Risiko für die Schweiz?
Aufgrund ihrer geographischen Lage ist die Gefahr, die von Sonnenstürmen für die Schweiz ausgeht, weniger hoch zu bewerten. Stromausfälle wären vor allem dadurch denkbar, dass das ganze europäische Netz durch Ausfälle im Norden instabil würde. Allerdings wurden in den letzten Jahrzehnten verschiedene Massnahmen getroffen, um die Auswirkungen von Sonnenstürmen zu verkleinern. Neuere technische Einrichtungen (beispielsweise im Kommunikationsbereich oder in der Stromversorgung) verfügen über Sicherungsmechanismen, die sie vor den Auswirkungen von Sonnenstürmen schützen. Aufgrund der langen Lebensdauer dieser teuren Systeme sind aber in der Schweiz und in Europa weiterhin Komponenten wie etwa Transformatoren im Einsatz, welche durch Sonnenstürme beschädigt und nicht kurzfristig ersetzt werden könnten.
Im Rahmen der nationalen Gefährdungsanalyse Katastrophen und Notlagen Schweiz (KNS) arbeitet das BABS daran, verschiedenen mögliche Szenarien quantitativ einzuschätzen. Dabei wird von Expertinnen und Experten auf der Basis der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse und ihrer Fachkenntnisse beurteilt, wie wahrscheinlich das Eintreffen dieses Ereignisses ist, und wie hohe Schäden zu erwarten wären. Der Sonnensturm landet dabei eher im Mittelfeld: die Eintretenswahrscheinlichkeit eines starken Sonnensturms, der zu Stromausfällen führen könnte, wird als eher gering (einmal alle 1000-3000 Jahre) beurteilt. Ebenso ist das Schadensmass durch Stromunterbrüche und beschädigte Infrastrukturen weniger hoch als etwa bei Erdbeben oder Pandemien, auch wenn mit Versorgungsunterbrüchen in verschiedenen Bereichen gerechnet werden müsste.
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Meldeprozess bei Weltraumereignissen
Seit 2022 ist ein Meldeprozess für starke Sonnenstürme via die Nationale Alarmzentrale im Aufbau. Voraussagen und Informationen zu starken Sonnenstürme stammen dabei vom Space Weather Prediction Center SWPC der US-amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration NOAA und der Europäischen Weltraumagentur ESA, die die Sonne mit verschiedenen erd- und satellitengestützten Messgeräten beobachten. Die Stärke der Sonnenstürme wird auf einer Skala, die von der NOAA entwickelt wurde, angegeben.
Die Warnungen können von der NAZ an die interessierten Partnerstellen, etwa Verkehrs- oder Infrastrukturbetreiber, weitergeleitet werden. Deren Betreiberorganisationen haben dann frühzeitig einen Hinweis, um bei möglicherweise folgenden Störungen einen Sonnensturm als Ursache in Betracht zu ziehen. Ob präventive Massnahmen getroffen werden können, um den Schaden durch einen Sonnensturm zu begrenzen, wird derzeit in verschiedenen Bereichen untersucht. Ein präventiver Unterbruch z.B. der Stromversorgung bringt verschiedene heikle juristische und wirtschaftliche Fragen mit sich, insbesondere, wenn der zu erwartende Schaden durch den Sonnensturm aufgrund der Problematik der magnetischen Orientierung nicht exakt abgeschätzt werden kann.
Regelmässige Neubeurteilung
Die Gefährdungsanalyse wird für jedes Szenario periodisch wiederholt. Beim Sonnensturm zeichnen sich gegenläufige Tendenzen ab: einerseits deuten neuste wissenschaftliche Erkenntnisse auf eine höhere Eintretenswahrscheinlichkeit hin. Anderseits geht man davon aus, dass neue Frühwarnprozesse und neuere, besser geschützte Infrastrukturen auch starke Sonnenstürme mit weniger Schäden überstehen.
Auch wenn Sonnenstürme dank der spektakulären Nordlichter und dem Solaren Maximum als mögliches Katastrophenszenario öfters den Weg in die Medien finden, ist die diesbezügliche Gefahr für die Schweiz also weniger hoch als für andere Länder in Nordeuropa oder Nordamerika.