Im Interview: Peter Wüthrich, Chef Infrastrukturen BABS
Peter Wüthrich arbeitet seit 2005 beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS. Seit 2011 ist er Chef des Geschäftsbereichs Infrastrukturen. Im Interview erzählt er von seiner Laufbahn, seinen Aufgaben und vom Bevölkerungsschutz in der Schweiz.
Das BABS beschäftigt sich täglich mit der Sicherheit bzw. mit der Möglichkeit einer schweren Katastrophe. Welchen Stellenwert hat Sicherheit für Sie privat?
Risiken sollten immer gut abgeschätzt werden. Es kann viel passieren – auch ein Sturz, beispielsweise bei einer Wanderung, kann gravierende Folgen haben.
Welche Risiken nehmen Sie privat bewusst in Kauf?
Als ehemaliger Orientierungsläufer war ich oft in der Dunkelheit oder in steinigem Gelände unterwegs. Heute bevorzuge ich eher das Mittelland und ein reduziertes Tempo. Im privaten Leben können Risiken besser kalkuliert werden als im Berufsumfeld Bevölkerungsschutz, da wir nie wissen, wann eine Katastrophe eintreten wird.
Vor welchen Gefahren fürchten Sie sich im Alltag persönlich am meisten?
Ich habe grossen Respekt vor Gewittern. Draussen, in den Bergen oder auch im freien Gelände, kann es gefährlich werden. Vor Jahren schlug ein Blitz in meinen Regenschirm. Ich hatte Glück und kam mit dem Schrecken davon.
Wie lange arbeiten Sie schon beim BABS?
11 Jahre. Davor war ich bei der Swisscom u.a. im Bereich Mobilfunknetze tätig. 2005 wechselte ich zum BABS als Projektmanager Polycom und 2011 übernahm ich die Funktion als Chef Geschäftsbereich Infrastrukturen.
Wenn Sie auf das Polycom-Projekt zurückschauen, das trotz Projektabschluss noch ein wichtiges Thema im BABS ist – Was sind die wichtigsten Lehren und Erfahrungen aus den letzten 10 Jahren?
Eine neue Dimension ist hinzugekommen: Die Politik. In meiner vorherigen Tätigkeit hatte ich vor allem mit Technik, Betrieb und Betriebswirtschaft zu tun. Die Politik ist ein zusätzliches, nicht zu unterschätzendes Element mit dem man umzugehen lernen muss, um im föderalistischen Umfeld Erfolg zu haben.
Als Leiter vom Geschäftsbereich und als Mitglied in der Geschäftsleitung des BABS hat sich Ihre Arbeitsweise vermutlich stark verändert. Wo Sie früher eher technisch gearbeitet haben, nehmen Sie heute die Vermittlungsfunktion auf politischer Ebene ein?
Ja, das ist so. Besonders die Kommunikation hat sich verändert. Dass ich die Abläufe und die Technologien verstehe, hat gewisse Vorteile. Es ist wichtig, dass auf Management-Stufe komplexe Themen in einfachen Botschaften verständlich kommuniziert werden. Sprechen wir beispielsweise von einer Basisstation ist dies für Laien weniger verständlich, als wenn wir stattdessen das Wort „Antenne“ benutzen. Kommunikation muss interaktiv sein. Feedback entgegen zu nehmen hilft zu beurteilen, ob Fragen verständlich beantwortet wurden.
Was ist Ihre Hauptaufgabe als Chef Geschäftsbereich Infrastrukturen BABS?
Koordinieren und Sicherstellen der Alarmierungs- und Telekommunikationssysteme für den Bevölkerungsschutz und Optimierung der Schutzanlagen-Infrastrukturen.
Welche Projekte bearbeiten Sie zurzeit im Geschäftsbereich?
Im Geschäftsbereich Infrastrukturen geht es primär darum, föderalistische Projekte zu realisieren – und das immer in Zusammenarbeit mit unseren Partnern des Bevölkerungsschutzes. Ein grosses Projekt im Bereich Telekommunikationssysteme ist der Werterhalt von Polycom bis 2030. Im Bereich Schutzbauten sind wir in viele Projekte für den Werterhalt und die Optimierung der Schutzanlagen-Infrastrukturen involviert. Der Lead ist hier jedoch bei den Kantonen oder Gemeinden. Im Bereich Alarmierungs- und Telekommunikationssysteme für den Bevölkerungsschutz steuert die rasante Technologieentwicklung unsere Geschwindigkeit. Schutzbauten müssen technisch nicht gleich häufig angepasst werden.
Wer arbeitet beim Geschäftsbereich Infrastruktur, was sind das für Leute?
Motivierte Leute mit einzigartigen Fachkompetenzen! Es sind Leute die zu uns gekommen sind, weil sie etwas für den Schutz der Bevölkerung beitragen möchten. Sie finden ihre Arbeit sinnvoll, möchten etwas bewegen, ihr Wissen einbringen und weiterentwickeln.
Was ist ihr beruflicher und fachlicher Hintergrund?
Wir haben viele Ingenieure – Bauingenieure, Elektroingenieure –, einige Techniker und administratives Personal. Grösstenteils konnte ich mein Team selber zusammenstellen. Es sind nun etwa 28 Personen, wobei wir uns aufgrund der Weiterentwicklung der Telekommunikationssysteme im Wachstum befinden.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Heute bin ich mehr im Büro anwesend als noch vor fünf Jahren. Als Projektleiter war ich meist mehrere Tage pro Woche unterwegs. Ich versuche morgens immer zuerst im Büro zu beginnen. Danach bin ich oft in Sitzungen und vertiefe mich in die Projektarbeit. Es ist mir wichtig, dass meine Mitarbeitenden wissen, wo sie mich finden und wann sie mit mir sprechen können.
Sie bearbeiten also nicht ausschliesslich Organisations- und Führungsaufgaben, sondern sind auch konzeptionell-analytisch tätig?
Genau. Mittlerweile ist das klassische Management – einmal in der Woche einen Rapport durchführen, Aufträge verteilen und eine Woche später die Resultate einfordern – nicht mehr zielführend. Wir versuchen unsere Aufträge in kleinen Teams möglichst rasch und effizient zu erledigen. Hierzu müssen wir flexibel sein und spontan reagieren können. Auch müssen alle, die in einem Projekt involviert sind, Qualitäts-, Kosten-, und Zeitmanagement beherrschen.
Was war bis jetzt Ihr grösstes Erfolgserlebnis im BABS-Job?
Als 2015 Polycom in allen Kantonen fertig gebaut und landesweit in Betrieb war. Dieses föderalistische Vorhaben nahm 15 Jahre in Anspruch. Auch das Alarmierungssystem Polyalert, das wir in einer Rekordzeit von sieben Jahren durchziehen konnten. Im föderalistischen Umfeld ist das schnell. Es gibt doch eine grosse Genugtuung, wenn wir sagen können: Unser kleines Team hat eine solche Weltklasse-Leistung erbracht. Was mich jedoch am allermeisten freut ist, dass fast alle Mitarbeitenden, die ich eingestellt habe, heute noch dabei sind, sich mit Freude engagieren, ihr Fachwissen zielgerichtet einbringen und auf einem hohen Niveau arbeiten.
Welches sind die grössten Herausforderungen, die Sie als Chef eines Geschäftsbereichs zu bewältigen haben?
Ich muss für die Geschäftsleitung und für unser Bundesamt denken und nicht isoliert an die eigenen Projekte. Als Fachbereichsleiter war ich dafür zuständig, dass der eigene Bereich läuft – jetzt trage ich einen grossen Teil dazu bei, dass sich das BABS weiterentwickelt.
Was ist für Sie Stress? Wann leiden Sie darunter?
Die meisten Leute haben den Eindruck, dass man in einer Führungsposition immer gestresst ist. Ich sehe es aber lieber so: Ich bin engagiert. Das ist positiver Stress. Natürlich gibt es Situationen, die auch negativen Stress generieren. Auch kommt es darauf an, wie damit umgegangen wird. Generell versuche ich, mit den Mitarbeitenden auf Augenhöhe zu sein und allfällige Konflikte vor Sonnenuntergang zu bereinigen, damit Stress nicht schlaflose Nächte verursacht. Weiter muss ich als Führungsperson delegieren können, Verantwortung abgeben und meinen Mitarbeitenden Vertrauen schenken. Grundsätzlich bin ich der Meinung: Wer mit Freude arbeitet, hat weniger Stress.
Nehmen Sie bitte kurz Stellung zu den folgenden Thesen
Im föderalistisch organisierten Bevölkerungsschutz sind die gemeinsamen Infrastrukturen ein Schlüsselelement zur Koordination des Gesamtsystems.
Das ist so! Wir wollen zusammenarbeiten. Wir helfen einander. Bei den Infrastrukturen braucht es Interoperabilität. Es ist im föderalistischen System der Schweiz nicht immer einfach, weil wir nicht alle dieselbe Sprache sprechen – also Deutsch, Französisch oder Italienisch – und nicht in allen Kantonen dieselben Prozesse anwenden. Je besser jedoch die Zusammenarbeit ist, desto besser ist die generierte Leistung.
Der Schweizer Bevölkerungsschutz verfügt über gute, zeitgemässe Kommunikationssysteme.
Wir sind heute zwar recht gut aufgestellt, und doch hat es noch Lücken in den Netzen. Mir persönlich ist es ein sehr grosses Anliegen, diese Lücken schliessen zu können. Insbesondere bezüglich Verfügbarkeit, Stromsicherheit und Cyberthemen sehe ich noch viel Arbeit auf uns zukommen.
Die Schutzinfrastruktur in der Schweiz muss erhalten und gepflegt werden.
Es lohnt sich auf jeden Fall, einen noch zu bestimmenden Teil zu erhalten. Die Bedrohungslage verändert sich sehr rasch, daher müssen wir genug flexibel und bereit sein, unsere Reaktionen anzupassen. Mit einem bedachten Mix von Erhalt und Neubau werden wir in der Schweiz auch in Zukunft gut aufgestellt sein.