Eine Zivilschützerin macht Karriere
2015 trat sie als Stabsassistentin in den Zivilschutz ein. In den darauffolgenden Jahren liess sie sich zur Kulturgüterschutzoffizierin ausbilden und lernte als Zugführerin, was es heisst, eine Mannschaft zu führen, Entscheidungen zu treffen und Befehle zu geben. Laurine Poncet hat in ihrer Zivilschutz-Karriere bereits mehr erreicht als mancher ihrer männlichen Zivilschutz-Kollegen.
Wenn Laurine Poncet von ihren Aufgaben im Zivilschutz erzählt, wird sofort klar, dass viel Motivation und Neugier hinter ihrem Engagement als freiwillige Zivilschützerin stecken. Dabei kam die Waadtländerin mit Wohnort Bern eher durch Zufall zum Zivilschutz. Während ihres Studiums der Konservierung und Restaurierung an der Haute Ecole Arc Neuchâtel von 2011 bis 2014 absolvierte sie eine Übung in Zusammenarbeit mit dem Kulturgüterschutz des Kantons Neuenburg. Dadurch erhielt sie zum ersten Mal die Gelegenheit, kulturelle Objekte aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten.
«Ich habe dieselben Probleme wie meine männlichen Kollegen.»
Im Studium beschäftigte sie sich in erster Linie mit den Umgebungsbedingungen von Objekten, um diese langfristig zu erhalten – mit der sogenannten präventiven Konservierung. Bei der Übung mit dem Kulturgüterschutz Neuenburg ging es vor allem darum, wie diese Objekte mithilfe von Sofortmassnahmen möglichst rasch geschützt und gerettet werden können.
Als Freiwillige in den Zivilschutz
Die Übung mit dem Kulturgüterschutz hinterliess einen bleibenden Eindruck bei der jungen Frau und bewegte sie schliesslich dazu, sich nach dem Studium beim Zivilschutz in ihrem Wohnkanton Waadt anzumelden. «Von den etwa 15 Frauen am Rekrutierungstag für Armee und Zivilschutz war ich die einzige Frau, die sich für den Zivilschutz interessierte, die anderen Frauen wollten alle zur Armee.»
Es habe sie schon etwas überrascht, aber sie sei sich auch bewusst gewesen, dass es eine Männerwelt ist.
«Ob ich verrückt sei, fragten mich Angehörige und Freunde, als ich ihnen von meinem Plan erzählte», sagt Laurine Poncet. Sie liess sich nicht beirren.
Personen, die freiwillig Zivilschutz leisten wollen, müssen den gleichen Rekrutierungsprozess durchlaufen wie Schutzdienstpflichtige. Als Freiwillige besitzen sie die gleichen Rechte und Pflichten wie Schutzdienstpflichtige. Auf Gesuch hin können Freiwillige allerdings früher aus der Schutzdienstpflicht entlassen werden, haben jedoch in der Regel mindestens drei Jahre Dienst zu leisten.
Laurine Poncet
Die Kulturgüterschutzoffizierin im Grad eines Leutnants wurde 1991 geboren.
Seit 2015 ist die Waadtländerin für den Zivilschutz des Kantons Waadt in der Region Gros-de-Vaud tätig. Ihre Karriere im Zivilschutz begann sie als Stabsassistentin bei der Sanität. 2016 und 2017 durchlief sie die Ausbildungen zur Kulturgüterspezialistin, zur Gruppenführerin und anschliessend zur Zugführerin und ist seither Kulturgüteroffizierin.
Ihr Studium an der Haute Ecole Arc in Neuchâtel hat sie 2014 mit dem Bachelor of Arts in Konservierung und Restaurierung abgeschlossen. Seit 2018 arbeitet sie als Depotverwalterin im Sammlungszentrum des Schweizerischen Nationalmuseums in Affoltern am Albis (ZH).
Abwechslung und bereichernde Erfahrungen
Laurine Poncet ist eine echte Zivilschutz-Allrounderin. Ihren Schutzdienst startete sie 2015 als Stabsassistentin im Bereich Sanität. Danach folgte die Ausbildung zur Kulturgüterschutzspezialistin und anschliessend zur Kulturgüterschutzoffizierin. Ihr Interesse gilt seit Beginn ihres freiwilligen Dienstes in erster Linie dem Kulturgüterschutz.
Als Kulturgüterschutzoffizierin bereitet sie beispielsweise Wiederholungskurse vor und führt diese anschliessend durch, erstellt das Kulturgüterinventar in einer Gemeinde oder führt Sofortmassnahmen zur Schadensbegrenzung an Kulturgütern durch. Einen wirklichen Ernstfalleinsatz habe sie bisher nicht erlebt. «Für die Bibliothek der Universität Lausanne stand ich einmal im Einsatz, aber das war vor allem eine präventive Aufgabe», erzählt die Kulturgüterschützerin.
Auch ausserhalb des Kulturgüterschutzes habe sie immer wieder bereichernde Erfahrungen sammeln können: Nachdem Laurine Poncet als 24-Jährige zum Zivilschutz gekommen war, konnte sie in jeden Bereich der Zivilschutzorganisation Region Gros-de-Vaud einen Einblick erhalten. Die vielfältigen Tätigkeitsbereiche und der Gedanke, anderen Menschen in Not zu helfen, waren weitere Beweggründe für ihren freiwilligen Einsatz. «Anlässlich des Fête de Vignerons im Sommer 2019 waren fast alle Regionen des Waadtländer Zivilschutzes im Einsatz. Das war eine sehr spannende Erfahrung.»
Die heute 28-Jährige scheut auch nicht davor zurück, kräftig mitanzupacken: «Ich bin eine sehr offene und neugierige Person und ich finde es interessant, Aufgaben zu übernehmen, die fälschlicherweise als typisch männlich angesehen werden, beispielsweise die Bedienung von technischen Geräten, Fahrzeugen oder die handwerkliche Arbeit mit Bäumen. Im normalen Leben hätte ich diese Möglichkeit nicht gehabt», erzählt die Zivilschützerin begeistert.
Einzige Frau
Als einzige Frau in der Zivilschutzorganisation Gros-de-Vaud fällt ihr nach fünf Jahren keine Situation ein, in der sie sich benachteiligt oder anders behandelt gefühlt hätte, bloss weil sie eine Frau ist. Manchmal würden Autoritätsprobleme auftreten, nur zögerlich Entscheide akzeptiert oder Befehle befolgt. Dies hält Laurine Poncet aber
nicht für eine Frage des Geschlechts: «Ich habe dieselben Probleme wie meine männlichen Kollegen, auch wenn ich manchmal geschlechtsspezifische Antworten höre.»
Frauen und Männer besässen durchaus unterschiedliche Qualitäten: «Eine Frau ist manchmal vielleicht geduldiger, kompromissbereiter und perfektionistischer – natürlich lässt sich dies aber nicht pauschal sagen, jeder Mensch ist anders und hat seine ganz individuellen Qualitäten.»
Laurine Poncet fände es wünschenswert, wenn künftig mehr Frauen Zivilschutz leisten würden. So könnte der Zivilschutz auch die Qualitäten nutzen, die mehr den Frauen zugesprochenen werden.
Berufliche Vorteile
Zu Beginn ihrer Zivilschutz-Karriere hatte Laurine Poncet keine grossen Ambitionen. Zugführerin wurde sie schliesslich durch eine glückliche Fügung. «Zugführerin zu werden, war eigentlich gar nicht mein Ziel. Aufgrund eines Abgangs in unserer Zivilschutzorganisation wurde die Funktion des Zugführers frei, und ich habe die Gelegenheit genutzt.»
Während der Ausbildung zur Zugführerin habe sie sehr vieles gelernt, das für sie auch beruflich von Vorteil sei. «Ich habe unter anderem gelernt, wie man in einer Stresssituation rasch entscheidet, zielstrebig und effizient arbeitet und wie man ein Team führt.» Diese Kompetenzen sowie das Fachwissen zum Kulturgüterschutz seien auch bei ihrem aktuellen Job als Depotverwalterin im Schweizerischen Nationalmuseum sehr wertvoll.
Dort verwaltet sie mit ihren Arbeitskollegen seit 2018 über eine Million Objekte aus Sammlungen der ganzen Schweiz und arbeitet ebenfalls für die Notfallplanung des Sammlungszentrums in Affoltern am Albis (ZH) mit. «Diesen Herbst findet in unserem Sammlungszentrum eine gemeinsame Übung des Schweizerischen Nationalmuseums und des Kulturgüterschutzes der Zivilschutzorganisation Albis statt. Dabei kann ich von meinen Erfahrungen im Zivilschutz natürlich sehr profitieren.»
Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könnte, ihre Karriere im Zivilschutz weiter voranzutreiben, erwidert sie aber klar: «Zurzeit nicht. Durch meinen Job im Schweizerischen Nationalmuseum in der Region Zürich habe ich einen sehr langen Arbeitsweg. Deshalb fehlt mir momentan einfach die Zeit.»
Verbesserungspotenzial bei der Rekrutierung
Laurine Poncet sieht keinen grossen Handlungsbedarf, den Zivilschutz für Frauen attraktiver zu gestalten. Generell sei es für die Attraktivität des Zivilschutzes wichtig, dass die Angehörigen des Zivilschutzes den Schutzdienst aus Eigenmotivation leisten. «Mit motivierten Menschen zu arbeiten, ist effizienter und angenehmer für alle», findet sie. Einzig bei der Information zu den Rekrutierungstagen sieht sie Verbesserungspotenzial. Bei den Rekrutierungsunterlagen könnte man noch besser auf Frauen im Zivilschutz eingehen. Sie selber habe damals nur spezifische Informationen für Frauen in der Armee erhalten.
Einen Nachteil, den man als Frau im Zivilschutz hat, fällt der engagierten Zivilschützerin nach längerem Überlegen doch noch ein: «Die warmen Zivilschutz-Jacken gibt es nur in der Grösse L/XL. So tragisch ist das aber nicht.»
Zeitschrift Bevölkerungsschutz
Dieser Artikel wurde in der Zeitschrift Bevölkerungsschutz im März 2020 (Dossier Frauen im Bevölkerungsschutz) schon einmal publiziert und wird hier im Blog nochmals aufgenommen.
Autorin: Sarah Kehrli, Spezialistin Ereigniskommunikation BABS